Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE „Auf dem Weg zu längerem gemeinsamen Lernen“

- Es gilt das gesprochene Wort! [Anrede] Vorneweg: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, obwohl wir – mal zugespitzt – eigentlich gar nicht wissen, wovon Sie eigentlich reden. Und obwohl Sie hier, genauso wie mit dem Inklusionsantrag, ein Thema ansprechen, von dem Sie immer reden, zu dessen Konkretisierung, geschweige denn Umsetzung, Sie bisher wenig getan haben.

17.12.15 –

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Vorneweg: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, obwohl wir – mal zugespitzt – eigentlich gar nicht wissen, wovon Sie eigentlich reden.

Und obwohl Sie hier, genauso wie mit dem Inklusionsantrag, ein Thema ansprechen, von dem Sie immer reden, zu dessen Konkretisierung, geschweige denn Umsetzung, Sie bisher wenig getan haben.

Denn was ist eigentlich ein Schulzentrum? Wenn sich eine Grundschule mit einer Oberschule drei Straßen weiter auf eine enge Kooperation bei dem Übergang von Schülerinnen und Schülern von der einen auf die andere Schule einigt, dürfen sich die beiden Schulen dann ‚Schulzentrum’ nennen? Und ist es umgekehrt ein Schulzentrum, wenn zwei Schulen zufällig am gleichen Standort sitzen, miteinander aber nicht enger kooperieren als mit anderen Schulen in der Nähe? Geht es um inhaltliche Kooperation, oder um räumliche? Und wenn ja – wieviel?

Den unbestimmten Begriff der ‚Schulzentren’ verbinden Sie hier mit dem ‚längeren gemeinsamen Lernen’. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, wird durch die Wiederholung nicht deutlicher. Die Presseverlautbarungen der letzten Tage lassen auch eher darauf schließen, dass bei Ihnen die Einen nicht wissen wollen, was die Anderen meinen.

Bei dem Durcheinander ist verständlich, dass es der CDU immernoch durchgeht, den angestaubten Kampfbegriff der ‚Einheitsschule’ zu verwenden. Dass individueller und kompetenzorientierter Unterricht, und davon ist ja wohl die Rede, bedeutet, Kinder auf verschiedenen Niveaustufen innerhalb einer Klasse zu unterrichten, aber eben gerade nicht einheitlich(!), ist schon schwierig zu begreifen. Die Erkenntnis, dass das, soweit gut gemacht, die beste und lehrreichste Form des Unterrichtes ist, hat sich unter Pädagogen erst langsam durchgesetzt. Insofern ist es verzeihlich, dass auch die CDU dazu lange braucht. Nun ist aber diese Form des Unterrichtes sogar in den Rahmenlehrplänen formuliert. Jetzt könnten Sie auch mal kapieren, dass ‚gemeinsames Lernen’ mit ‚Einheitsschule’ nichts zu tun hat!

Wir werden dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen, so unbestimmt er ist. Wenn Schulen dabei unterstützt werden, besser zu kooperieren, die Übergänge nahtloser und das System insgesamt durchlässiger zu gestalten, dann ist das ein positives Vorhaben. Egal, wie wir das Produkt dann nennen!

Der entscheidende Satz dieses Antrages ist der letzte unter Punkt 1: „Für mehr Chancengleichheit müssen deshalb die Rahmenbedingungen für eine frühe und intensive individuelle Förderung ... verbessert werden.“ Und wie das geht, wissen wir schon lange ziemlich genau.

Mal abgesehen von den besseren Rahmenbedingungen in der frühkindlichen Bildung – die wir auch nicht außer Acht lassen dürfen – meine ich hier all die Verbesserungen, die wir mit der Inklusion diskutiert haben: Multiprofessionelle Teams (und nicht die fortgesetzte Situation, dass die Sonderpädagogen für den Vertretungsunterricht eigesetzt werden), Fortbildungen für Lehrkräfte, selbständige Gestaltungsmöglichkeiten für Schulen inklusive selbst verwalteter Fortbildungsbudgets, angemessene Unterstützung für Hochbegabte genauso wie für Kinder mit Förderbedarfen, und so weiter.

Das sind die Rahmenbedingungen für eine gute Schule! Um Schule besser zu machen, führen uns die Strukturdiskussionen nicht weiter. Die müssen wir nur führen wegen des demografischen Wandels.

So, wie dieser Antrag hier heute vorliegt, bedeutet er noch keinen Fortschritt. Wegen der mangelnden Konkretheit sowie dreier weiterer Schwachstellen: Erstens taucht der Begriff ‚Inklusion’ gar nicht auf, so, als könnten wir bessere individuelle Förderung losgelöst von Inklusion denken. Zweitens: Über Strukturen hat die Demografiekommission für die Zukunft der Grundschulen schon einiges gesagt - und gleichzeitig Wege aufgezeigt, kleine Grundschulen in ländlichen Gebieten zu erhalten. (Wenn wir uns übrigens mehrere Schulstandorte als ‚eine Schule’ denken, dann gewinnt der unbestimmte Begriff der Schulzentren gleich noch eine weitere Deutungsmöglichkeit!). Wir haben eine Demografiekommission II gefordert, für die weiterführenden Schulen. Die haben Sie abgelehnt. Dass Sie aber die erste gar nicht erwähnen, ist auch kein Gütezeichen für Ihren Antrag.

Und drittens machen Sie hier dasselbe wie mit dem Inklusionsantrag: Sie rühren die laue Suppe einmal um, fördern ein paar halbgare Brocken an die Oberfläche, nur um sie dann wieder für ein weiteres Jahr bei halber Flamme warm zu halten, ohne mal richtig Dampf zu machen.

Wir stimmen trotzdem zu, überschäumenden Gestaltungseifer sind wir von Ihnen ja auch sonst nicht gewöhnt.

Kategorie

Reden