Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der bündnisgrünen Fraktion, der CDU- und der FDP-Fraktion „Versäumnisse im Fall der Haasenburg-Heime weiter aufklären – Heimaufsicht stärken

Rede am 20.11.2013 Es gilt das gesprochene Wort! Anrede! Wie über viele Jahre in den Heimen der Haasenburg GmbH mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wurde, mit jungen Menschen, die schon vorher nicht von der Sonnenseite des Lebens kamen, ist beschämend. Für uns alle. Und wahrscheinlich wissen wir noch gar nicht alles. Was in diesem Zusammenhang immer wieder gesagt werden muss: Nicht durch die Sorgfalt der Aufsichtsbehörden wurden die Missstände publik. Nein, es waren zwei findige Journalisten der taz, denen wir zu verdanken haben, dass wir jetzt von Vorkommnissen wissen, die die Aufsichtsbehörden längst hätten beenden müssen.

20.11.13 –

Rede am 20.11.2013

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Wie über viele Jahre in den Heimen der Haasenburg GmbH mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wurde, mit jungen Menschen, die schon vorher nicht von der Sonnenseite des Lebens kamen, ist beschämend. Für uns alle. Und wahrscheinlich wissen wir noch gar nicht alles.

Was in diesem Zusammenhang immer wieder gesagt werden muss: Nicht durch die Sorgfalt der Aufsichtsbehörden wurden die Missstände publik. Nein, es waren zwei findige Journalisten der taz, denen wir zu verdanken haben, dass wir jetzt von Vorkommnissen wissen, die die Aufsichtsbehörden längst hätten beenden müssen. Denn das meiste von dem, was die taz seit Juni zusammen geschrieben hat, war längst bekannt. Es hat nur niemand ausreichend interessiert, niemand fühlte sich verantwortlich. Man kann das Bürokratenperspektive nennen: Jeder fragt nur nach der eigenen formalen Zuständigkeit, keiner nach der Verantwortung. Hier haben Strukturen eklatant versagt. Und natürlich fragt man sich, welche Rolle das Landesjugendamt und das Ministerium dabei gespielt haben.

Im Juni 2012 (sic!) erhielt ich auf meine Kleine Anfrage die Antwort (DS 5/5614), alle vergangenen Beanstandungen seien geklärt. Wörtlich „Gegenwärtig sind dem Landesjugendamt keine Mängel in der Betreuung der Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen des Trägers bekannt, die ein Eingreifen zum Schutz der Minderjährigen erfordern würden." (Zur Erläuterung muss hier eingeräumt werden, dass 3 MitarbeiterInnen im Landesjugendamt wahrscheinlich sowieso kaum in der Lage sein dürften, solche Mängel zu erfassen.)

In der aktuellen Debatte im Sommer diesen Jahres wurde weiter beschwichtigt: alle Missstände seien behoben! Dabei hätte doch klar sein müssen, dass die Abschaffung von Fixierliegen kein Beleg dafür ist, dass der Geist, der hinter einer solchen Pädagogik liegt, sich mit der Abschaffung der Instrumente verflüchtigt. Und genau das hat sich ja bewahrheitet!

Schon im Juli haben wir erst die Schließung gefordert, dann im August zumindest die Aufrechterhaltung des Belegungsstopps. Den hat die Ministerin Ende August bekanntlich ja zumindest partiell aufgehoben. Warum, das habe ich nie verstanden.

Dass jetzt die Einrichtungen geschlossen werden, war überfällig. Trotzdem ist das nur ein Stück Symptombekämpfung: Die Debatte darüber, wie wir den betroffenen Kindern, die per richterlichem Beschluss weiterhin mit freiheitsentziehenden Maßnahmen untergebracht werden dürfen, wirklich besser helfen, steht noch am Anfang. Prävention sollte dabei sicher eine größere Rolle spielen.

Gleichermaßen am Anfang steht die Debatte um den gesetzlichen Rahmen: Wir brauchen dringend klare „Vollzugsregeln" für die Rechte der Kinder und die Pflichten der Einrichtungen. Vormünder, RichterInnen und SozialarbeiterInnen müssen verpflichtet und in die Lage versetzt werden, die Kinder und Jugendlichen regelmäßig zu besuchen und es müssen endlich bundesweite Qualitätsstandards eingeführt und verbindliche, transparente Beschwerdesysteme aufgebaut werden. – Das ist teilweise Bundesangelegenheit und liegt nicht alles allein in unserer Hand.

Aber es geht immerhin um Zustände, die dazu geführt haben, dass bei der Staatsanwaltschaft in Cottbus mittlerweile 70 Verfahren anhängig sind.

Nach der Vorlage des Berichtes der Untersuchungskommission Anfang November sind die Karten nochmal neu gemischt. Fest steht:

Erstens: Es ist nicht alles schwarz, es gibt auch ein gutes Bild der Haasenburg.

Zweitens: Kinder und Jugendliche waren offensichtlich über Jahre ziemlich willkürlicher physischer und psychischer Gewaltanwendung ausgesetzt. Die Strukturen der Heimaufsicht haben schwerwiegend versagt. Das Landesjugendamt und das Ministerium mit der Fachaufsicht tragen dafür die Verantwortung.

Das Landesjugendamt wusste von den Fixierliegen und war in die Konzeption eingebunden. Überhaupt wird deutlich, wie eng die Beratung zwischen Jugendamt und Haasenburg GmbH war. So eng, dass die Mitglieder der Kommission befürchten, dieses Engagement habe „möglicherweise den Blick verstellt für die erforderliche Beaufsichtigung im Sinne kritisch-genauer Überwachung." (Bericht S. 104).

Ob die schwierige Trennung zwischen Beratungs- und Aufsichtsfunktion vielleicht dadurch beeinflusst worden sein könnte, dass der Chef des Landesjugendamtes ein Sommerhäuschen in Jessern, einem der Haasenburg-Standorte, haben soll, vermag ich natürlich nicht einzuschätzen.

Die Kommission schreibt weiter: „Anhörungen und Akteneinsicht legen den Schluss auf Mängel nicht unerheblicher Art in der Ausübung der Aufsicht über die Haasenburg GmbH nahe. Dies wird nach Ansicht der Kommission Grund sein müssen für nähere Untersuchungen, die im Rahmen des Auftrages der Kommission nicht angezeigt und nicht möglich waren." (S. 104)

Dass diese konkrete Aufarbeitung jetzt intern und hinter den geschlossenen Türen des MBJS stattfinden soll, kann gar keinen anderen Effekt haben, als Misstrauen zu wecken. Das Landesjugendamt und das Ministerium mit der Fachaufsicht tragen die Verantwortung. All die Misshandlungsvorwürfe, das Geschwindel mit den Personalangaben, die Regelungslücken und Versäumnisse vieler Jahre hätten dem Landesjugendamt und dem Ministerium nicht nur auffallen können, sie hätten auch auffallen müssen!

Schon bei der Berufung der ersten Untersuchungskommission im Sommer war es keine vertrauensbildende Maßnahme, das Parlament nicht an der Auswahl der Experten zu beteiligen.

Deshalb fordern wir jetzt die Einrichtung einer neuen Expertenkommission, an deren Besetzung auch die Opposition teilhat, um aufzuklären, wo das Versagen liegt und wo die Regelungslücken für die Zukunft.

Wenn Sie alles richtig gemacht und nichts zu verheimlichen haben, dann trauen Sie sich Transparenz zu und beteiligen sie uns! Wenn Sie dazu nicht den Mut haben, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn der Verdacht haften bleibt.

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Reden