Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der AfD-Fraktion „Tägliche Beflaggung von Schulen im Land Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort! [Anrede] Ehrlich gesagt, erst hatte ich gedacht, da wäre der AfD der Landtags-Aprilscherz gelungen. Leider stimmte dann das Einreichungsdatum doch nicht ganz. Im Hamburger CDU-Antrag - von dem der hier vorliegende zumindest inspiriert ist – finden wir noch die Zielgruppe der Menschen, die hier Schutz suchen und mit unserer Werteordnung vielleicht noch nicht vertraut sind, und die Freiwilligkeit der Beflaggung. Für die Brandenburger AfD sind flugs alle Beteiligten im Schulsystem angesprochen, und aus der Freiwilligkeit wird Zwang.

28.04.16 –

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Ehrlich gesagt, erst hatte ich gedacht, da wäre der AfD der Landtags-Aprilscherz gelungen. Leider stimmte dann das Einreichungsdatum doch nicht ganz.

Im Hamburger CDU-Antrag - von dem der hier vorliegende zumindest inspiriert ist – finden wir noch die Zielgruppe der Menschen, die hier Schutz suchen und mit unserer Werteordnung vielleicht noch nicht vertraut sind, und die Freiwilligkeit der Beflaggung. Für die Brandenburger AfD sind flugs alle Beteiligten im Schulsystem angesprochen, und aus der Freiwilligkeit wird Zwang.

Mal abgesehen davon, dass ich nicht der Meinung bin, dass Zwang ein probates pädagogisches Mittel ist – und schon gar nicht zur Übernahme von Werthaltungen! – gibt es diverse weitere Gründe, die gegen diesen Antrag sprechen:

1. Die Schulen sind keine Dienststellen des Landes, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechtes, die vom Land gebildet werden, sondern unterliegen der Trägerschaft der Kommunen. Das müssen diese schon selbst entscheiden. Und sie können das auch jederzeit.

2. Klar, eine Flagge allein hat noch niemandem geschadet. Die deutsche Flagge, schwarz-rot-gold, steht für Freiheit, Bürgerrechte, Einheit, Demokratie (und bei der ersten Verwendung beim Hambacher Fest 1832 übrigens auch für Europa!). Ein Symbol für viele positive Werte, die unser Land ausmachen. Trotzdem bringe ich wie viele Nachkriegsdeutsche – auch über die Weltmeisterschaft 2006 hinaus – den Flaggen auch Skepsis entgegen: Zu sehr wurden sie missbraucht von Militär und diktatorischen Systemen.

3. Ohne Symbolen grundsätzlich den Wert abzusprechen, halte ich die Annahme, Werthaltungen ließen sich durch das Aufhängen bunter Stofftücher vermitteln, für zu kurz gesprungen. – Wenn überhaupt, dann sicher besser anlassbezogen zu bestimmten Tagen, auf deren Bedeutung einzugehen dann im Unterricht Platz ist. Eine tägliche Beflaggung stumpft eher ab.

Und wenn wir über Werte reden, dann sind wir uns sicher uneinig, welche Werte das denn sein könnten: Ihre Werte, sehr geehrte Antragsteller von der AfD, wie neulich der Cicero über Ihre Mitgliederumfrage berichtete, nämlich Rückabwicklung der EU-Integration, Wiedereinführung der Wehrpflicht, Abschaffung von vermeintlicher „Gender-Ideologie“ und Frauenquoten, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und Rückwendung zum Abstammungsprinzip im Staatsbürgerschaftsrecht, ausschließliche Vergabe von Sachleistungen für Asylbewerber*innen, vollständige Abschottung der EU-Außengrenzen und Abkehr vom geltenden Asylrecht – das sind nicht meine Werte!

Wir wollen die Pluralität, wie sie das Grundgesetz vorsieht: Mit unterschiedlichen Religionen, auch dem Islam, mit einer Gleichberechtigung der Geschlechter und dem Recht auf Asyl! Und dazu, wie eine demokratische Grundhaltung in der Schule besser eingeübt werden könnte, fiele mir manches ein. Flaggen sind es nicht.

 

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Reden