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25.04.18 –
Marie Luise von Halem spricht zu unserem Antrag „Kinder- und Familienfreundlichkeit nicht auf die lange Bank schieben – Kita-Betreuung jetzt verbessern“
- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Vielleicht wird sich die Eine oder der Andere von Ihnen fragen, was denn am Kita-Thema aktuell ist und sich denken „Das ist doch nur wieder die Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Zeitschleife der Opposition“! Damit haben Sie gleichermaßen recht und nicht recht.
Denn es gibt tatsächlich zwei aktuelle Anlässe, die dieses Thema – mit dem auch ich mich immer wieder wie in eine Zeitschleife festgekettet fühle – neu beleuchten:
Der erste ist die Selbstanzeige des Kitaträgers Fröbel Anfang April. Wegen der zunehmend langen Betreuungszeiten, die vom Land nicht ausreichend finanziert werden, sah er sich veranlasst, bei der Kita-Aufsicht im Bildungsministerium die eigene Betriebsgenehmigung in Frage zu stellen.
Dazu muss man sagen, dass das Argument der Fröbel gGmbH, der „gesetzlich vorgeschriebene Betreuungsschlüssel“ sei nicht zu halten, irreführend ist. Der Betreuungsschlüssel, über den wir hier immer wieder reden, aktuell liegt er bei 1:5 im Krippen- und 1:11,5 im Kita-Bereich, ist ausschließlich eine Rechengröße zur Bemessung der Landeszuschüsse. Mit der tatsächlichen Größe der Betreuungsgruppen (der Fachkraft-Kind-Relation) hat er erstmal gar nichts zu tun, die liegt in der Regel deutlich höher, da Krankheit, Urlaub, Fortbildung und eben die überlangen Betreuungszeiten nicht in den Betreuungsschlüssel eingerechnet sind. Diese babylonische Sprachverwirrung kapiert kaum jemand, die Eltern nicht, die Erzieherinnen nicht, und offensichtlich ist sie auch für die Träger schwierig.
Deshalb kann man gut argumentieren, so wie es das Ministerium tut, die aktuelle Belastung durch die langen Betreuungszeiten sei juristisch gesehen ausschließlich Sache der Kommunen. Die müssten solche Bedarfe ausgleichen. Ja, aber selbst hier sind nicht alle Juristen der selben Meinung.
Und selbst, wenn dem so wäre, ist die juristische Perspektive mit der politischen nicht gleichzusetzen: Die Selbstanzeige ist ein Hilfeschrei und natürlich hat das Land eine politische Verantwortung, nicht zuletzt deshalb, weil wir mit unseren Gruppengrößen seit vielen Kitakindergenerationen am alleruntersten Ende der bundesweiten Vergleichsskala rangieren!
Der zweite aktuelle Anlass für diese Diskussion ist die ironischer Weise am selben Tag veröffentlichte Strategie des SPD Landesvorsitzenden Dietmar Woidke für das nächste Jahrzehnt, überschrieben mit dem Titel „Mit Engagement und Ideen“. Brandenburg soll in puncto Kinder- und Familienfreundlichkeit zum bundesweiten Vorreiter werden. Herr Woidke verspricht ein „Jahrzehnt der Kinder und der Bildung“. In den nächsten zehn Jahren soll die Größe der Kitagruppen (wohlgemerkt: die Gruppengröße, nicht der Betreuungsschlüssel!) sinken auf 1:3 und 1:8 – das entspräche ziemlich genau den Expertenempfehlungen. Die gute Meldung dabei: Es gibt endlich eine festgelegte Zahl. Und damit auch keinen Grund mehr, unsere unendlich oft vorgetragene Forderung nach einem Stufenplan für mehr Kita-Qualität abzulehnen. Immer haben Sie uns, verehrte Kolleg*innen von den Koalitionsfraktionen, mit Dackelaugen angesehen und argumentiert, Sie könnten sich doch nicht über die Koalitionsperioden hinaus festlegen! Genau das aber macht Herr Woidke jetzt.
Es ist schon absurd: Diese SPD, immer die stärkste Partei in Brandenburg, die seit Jahrzehnten das Bildungsressort inne hat, sagt jetzt endlich was Konkretes, jetzt, wo sie plötzlich um ihr Ergebnis zittern muss wie nie zuvor, nachdem sie unendliche Zeiten das nicht eingelöst hat, was sie in den Wahlkämpfen verprochen hat. Immer haben Sie in den Wahlkämpfen getönt, Bildung müsse oberste Priorität haben, und dann haben sie die Lehrkräfte nicht eingestellt, als sie noch da waren, die Universitäten lange Jahre viel zu schlecht ausgestattet und die Kita-Gruppen am untersten Ende der Deutschland-Skala dümpeln lassen. – Schön, wenn das jetzt endlich anders wird!
Also, was fordern wir?
Mit unserem Entschließungsantrag wollen wir erreichen, dass eine dritte Betreuungszeitstufe endlich eingeführt wird. Zu entgegnen, wie Sie das zuletzt getan haben, man müsse dazu erst weitere Erkundigungen einholen, ist nur eine fadenscheinige Ausrede dafür, das Projekt auf die lange Bank zu schieben. Wir können diese Finanzierungszusage beschließen, und das Verfahren parallel zu den Beratungen konkretisieren. Zweitens wollen wir noch einmal und immer noch den Stufenplan, der aufzeigt, wie die vom SPD-Vorsitzenden angekündigten Verbesserungen in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Wir wollen sehen, wie ernst es die SPD meint.
Und unser dritter Punkt betrifft das Kita-Gesetz: Seit Jahren gibt es Kritik, die Verantwortlichkeiten seien unscharf, die Finanzierungsströme zu komplex, der bürokratische Aufwand zu groß. Das anzugehen, hat Herr Baaske schon Anfang der Legislaturperiode ins Auge gefasst, jetzt ist es allerdings zu spät für ein so großes Projekt, um vor den Wahlen abgeschlossen zu werden. Aber wir sollten anfangen, mit einem partizipativen Prozess, der der nächsten Landesregierung konkrete Punkte mit auf den Weg geben kann. Das hätte längst passiert sein können - auch das ist wohl ein Kollateralschaden der abgesagten Kreisgebietsreform. Dass das Ministerium diesen Prozess tatsächlich plant, habe ich letzte Woche erfahren. Prima und ein Grund mehr, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen!
Erfreulich ist ja auch, dass wir uns inhaltlich weitgehend einig sind, der Dissens nicht in der Sache liegt, sondern in Ernsthaftigkeit und Tempo. Und glauben Sie mir, ich wäre auch froh, wenn sich die oppositionelle Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Zeitschleife endlich erledigt hätte!
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