Marie Luise von Halem spricht zu unserem Antrag „Brandenburgs Zukunft sichern - Medienbildung und digitale Kompetenz stärken“

- Es gilt das gesprochene Wort! [Anrede] Dass wir heute so breit über Medienbildung reden, liegt natürlich am neuen Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg. Aber es gibt noch einen zweiten Anlass, dass Bildungspolitiker*innen seit einiger Zeit über dieses Thema etwas heftiger diskutieren: „Wir vergeuden das Potential einer ganzen Schülergeneration“ war das Credo einer Vorstellung der ‚International Computer and Information Literacy Study’ von 2013 (zu deutsch etwa: Internationale Studie zu computer- und informationsbasierten Kompetenzen, kurz ICILS), durch eine der beiden nationalen Koordinatoren, Frau Prof. Dr. Bigit Eickelmann. Die KMK hatte sich an dieser Studie übrigens nicht beteiligt, ein Ländervergleich war nicht erwünscht gewesen und ist auch im Nachgang nicht mehr möglich. Die (halb-)gute Nachricht dieser Studie: Wir liegen in Deutschland etwa im internationalen Mittelfeld. Ein paar kritische Punkte möchte ich dennoch nennen:

08.06.16 –

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Dass wir heute so breit über Medienbildung reden, liegt natürlich am neuen Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg. Aber es gibt noch einen zweiten Anlass, dass Bildungspolitiker*innen seit einiger Zeit über dieses Thema etwas heftiger diskutieren:

„Wir vergeuden das Potential einer ganzen Schülergeneration“ war das Credo einer Vorstellung der ‚International Computer and Information Literacy Study’ von 2013 (zu deutsch etwa: Internationale Studie zu computer- und informationsbasierten Kompetenzen, kurz ICILS), durch eine der beiden nationalen Koordinatoren, Frau Prof. Dr. Bigit Eickelmann. Die KMK hatte sich an dieser Studie übrigens nicht beteiligt, ein Ländervergleich war nicht erwünscht gewesen und ist auch im Nachgang nicht mehr möglich. Die (halb-)gute Nachricht dieser Studie: Wir liegen in Deutschland etwa im internationalen Mittelfeld. Ein paar kritische Punkte möchte ich dennoch nennen:

 

30% der untersuchten Achtklässler*innen in Deutschland können nur gerade einen Link öffnen und befinden sich damit auf der untersten von fünf Kompetenzstufen. Nur 1,5 % sind auf der obersten Kompetenzstufe.
Die Ergebnisse weise deutliche Unterschiede zu Ungunsten der Kinder aus sog. ‚niedrigen sozialen Lagen’ auf, übrigens besonders deutlich an nicht-gymnasialen Schulformen (Förderschulen waren nicht einbezogen, das hat die KMK verwehrt).
Interessanter Weise haben überall die Mädchen die Nase vorn, aber die Jungen halten sich für besser.
Das Schüler-Computer-Verhältnis liegt in der EU bei 11,6:1, in Dtld. bei 11,5:1, in Norwegen bei 2,4:1.
Gut zwei Fünftel der Lehrerinnen und Lehrer sind unzufrieden mit der Computerausstattung. Das heißt auch: mehr als die Hälfte ist zufrieden!
Bei dem Vergleich der regelmäßigen Nutzung von neuen Technologien im Unterricht ist Dtld absoluter Letzter! 8,3 % nutzen im Untericht nie neue Technologien. Bei der Computernutzung der Schülerinnen und Schüler liegt Deutschland bei zwei Dutzend teilnehmenden Staaten auf dem drittletzten Platz.
Insgesamt hat D den internationalen Anschluss verloren, sowohl pädagogisch als auch technisch. Auch für den Bildungsausgleich und gegen Bildungsbenachteiligung müsste dringend was getan werden.
Fazit von Frau Prof. Eickelmann war: Die Kinder lernten etwas trotz der Schule.

Und jetzt zu Brandenburg:

Dass hier zu einem Tagesordnungspunkt drei – oder eigentlich sogar vier - verschiedene Anträge vorliegen, dreimal Boni verteilt werden, ist ja schon eine Seltenheit. Was sagt uns das?

Erstmal: Das Thema ist uns allen so wichtig, dass wir uns nicht mit Gegenreden oder Entschließungsanträgen begnügen wollen.

Und warum – zweitens – schließen wir BündnisGrüne uns nicht einfach den anderen irgendwie an? Der CDU-Antrag lag zuerst vor, er fordert Medienbildung als prüfungsrelevanten Bestandteil der Lehrerausbildung und (vorerst modellhafte) Projekttage zur Medienbildung an Brandenburger Schulen. Das ist ok, aber viel zu wenig: Bei der Zielgruppe Lehrerinnen und Lehrer muss es angesichts des Durchschnittsalters derselben und der damit verbundenen überwiegend nicht ausreichenden Medienkompetenz in erster Linie um umfassende Fortbildungsangebote gehen. Und knapp fünf Jahre nach Vorlage des ersten Konzeptes zur Stärkung von Medienkompetenz sollte in Sachen Umsetzung mehr passieren als die Einführung modellhafter Projekttage – schon gar bei einem so fächerübergreifenden Thema. Projekttage reichen nicht. Vermittlung von Medienkompetenz erfüllt nur dann ihren Zweck, wenn sie verbunden wird mit der alltäglichen Erfahrung, sich Wissen selbständig oder auch angeleitet durch Nutzung von Medien anzueignen und selbiges auch medial weiter zu geben. – Alles in allem ist der CDU-Antrag schön und gut, aber doch ein bisschen dürftig.

Dann hatten wir gehofft, der Antrag der Koalitionsfraktionen würde substantieller ausfallen. Das tut er zwar, und ich will auch gar nicht bestreiten, dass Einiges ganz gut läuft in Brandenburg. Das Basiscurriculum Medienbildung z.B. ist ein guter Schritt, ebenso wie die Forderung an die Landesregierung zur Vorlage eines Berichtes über die Umsetzung des Konzeptes „Stärkung der Medienkompetenz“. Dabei Rahmenbedingungen für die Anwendung von Open Educational Ressources (OER) zu schaffen und gesundheitswissenschaftliche Aspekte einzubeziehen, sind begrüßenswerte Ansätze.

Bis zur Vorlage des Berichtes aber ein ganzes Jahr verstreichen zu lassen, bedeutet viel verschenkte Zeit. Insbesondere deshalb, weil ab Herbst 2017 der neue Rahmenlehrplan unterrichtswirksam sein soll. Das bedeutet also, dass zwischen Vorlage des Berichtes und Umsetzung des Rahmenlehrplanes keinerlei Zeit mehr verbleibt, aus dem Bericht Konsequenzen zu ziehen. Aber vielleicht ist ja auch genau der Sinn der Übung?

Wir wollen deshalb nicht nur einen Bericht zur Umsetzung, sondern eine Fortschreibung des Konzeptes, und zwar bis Ende 2016. Nun kann man sich wahrscheinlich trefflich streiten, was denn der Unterschied zwischen einem Konzept und einem Bericht ist – wir haben ja hier schon so viele Papiere vorgelegt bekommen, die ‚Konzept’ genannt wurden, letztlich aber nur den Ist-Stand berichteten und über Hier-Fördern und Dort-Unterstützen keinerlei Gestaltungsanspruch zeigten.

Wir wollen deshalb nicht nur die Vorlage bis Ende des Jahres, sondern noch ein paar mehr konkrete Zielvorgaben:

 

eine Bestandsaufnahme der technischen Ausstattung in Kooperation mit den Kommunen,
Organisation von Beratung und fachlichem Austausch über fachdidaktische Konzepte,
eine sichere digitale Lernplattform, die gut und gerne mit Berlin zusammen erstellt und genutzt werden kann,
Empfehlungen zum Umgang mit privaten digitalen Geräten und mit sozialen Netzwerken,
sowie die Einbeziehung außerschulischer Träger der Medienbildung, weil es nicht nur um Schule geht, sondern um eine ausgewogene Kooperation zwischen Eltern, Lehrkräften und auch Erzieher*innen sowie um einen allgemeinen Bildungsauftrag im Rahmen des lebenslangen Lernens. (Und deshalb erschließt es sich uns auch nicht, warum die Koalition hier noch einen zweiten Tagesordnungpunkt beantragt hat – wo doch zusammen diskutiert und konzeptioniert werden sollte, was zusammen gehört!
Gestern abend haben wir ja alle zusammen gesessen beim Landesfachverband Medienbildung. Ähnlich wie bei der kulturellen Bildung gibt es auch hier großes Engagement und gute Grundstrukturen. Aber sie werden ausgehungert. Wie die Blumen in der Wüste. Das Beispiel der Aktion Kinder- und Jugendschutz mit dem Angebot von Elternabenden, deren Jahreskontingent aber schon im Mai ausgebucht ist, ist nur eines von vielen Beispielen. Die Blumen könnten bunt und flächendeckend sein, wenn sie nur etwas mehr Wasser bekämen.

Dass eine wahrnehmbare Verbesserung der Medienbildung nicht wirklich die Absicht dieser Regierungskoalition ist, wird aus dem Duktus des Antrages schon durchaus deutlich. Wer noch daran gezweifelt hat, dass es hier mal wieder in erster Linie um wattige Wohlfühlrhetorik und das rosa Schleifchen drum herum geht, dem müsste es spätestens jetzt klar geworden sein, wo die SPD nichteinmal bereit ist, die Anträge in den Ausschuss zu überweisen.

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Bildung | Reden