Marie Luise von Halem spricht zum Gesetzentwurf von neun Abgeordneten „Gesetz zur Änderung von Rechtsvorschriften über die Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg“

Rede am 22.1.2014 [Anrede!] Leider kann ich sie nicht auf sorbisch begrüßen. Auch meine Kinder haben in Brandenburger Schulen wenig von Sorben und Wenden erfahren. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich das bei meinen Enkeln vielleicht ändert!  Unser demokratisches System fußt auf dem Grundprinzip gleichen Stimmrechts für Alle und Entscheidungsfindung durch Mehrheit. Damit das Recht des Stärkeren, das Faustrecht, abgelöst zu haben, gilt uns als zivilisatorischer Erfolg. An die Grenzen dieses Rechtes der Mehrheit gestoßen zu werden, irritiert uns. Aber zum Mehrheitsprinzip in der Demokratie gehört auch der Minderheitenschutz.

22.01.14 –

Rede am 22.1.2014

- Es gilt das gesprochene Wort! -

[Anrede!]

Leider kann ich sie nicht auf sorbisch begrüßen. Auch meine Kinder haben in Brandenburger Schulen wenig von Sorben und Wenden erfahren. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich das bei meinen Enkeln vielleicht ändert! 

Unser demokratisches System fußt auf dem Grundprinzip gleichen Stimmrechts für Alle und Entscheidungsfindung durch Mehrheit. Damit das Recht des Stärkeren, das Faustrecht, abgelöst zu haben, gilt uns als zivilisatorischer Erfolg. An die Grenzen dieses Rechtes der Mehrheit gestoßen zu werden, irritiert uns. Aber zum Mehrheitsprinzip in der Demokratie gehört auch der Minderheitenschutz.
Wer bestimmt den Minderheitenschutz? Definieren wir eine Mindestgröße für die Minderheit, ab der sie bestimmte Rechte hat? Oder verlagern wir die Entscheidungen über Minderheitenschutz von den direkt Betroffenen auf eine höhere politische Ebene? – Ja, wir Bündnisgrüne sind hier explizit für eine klare und bestimmte gesetzliche Regelung aller wesentlichen Fragen des Minderheitenschutzes durch das Parlament.

Was sind die wichtigsten Punkte unseres Antrages gegenüber dem der Koalitionsfraktionen?  
Erstens: Die Festlegung des sorbisch/wendischen Siedlungsgebietes: Aus Sicht europäischen Rechts ist laut Prof. Oeter, dem Vorsitzenden des Unabhängigen Expertenkomitees für die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats, dringend davon abzuraten, die Entscheidung über die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet auf die Gemeindeebene zu verlagern, weil so „die Entscheidung über die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet letztlich dem Belieben lokaler Mehrheiten überantwortet [wird], was aus Sicht der Verträge zutiefst problematisch ist.“ Wir halten deshalb an der Festlegung durch Landesgesetz fest, wie das auch in Sachsen erfolgreich praktiziert wurde. Alles andere missachtet europäische Standards!

Zweitens: Wir wollen den oder die Sorben/Wenden-Beauftragte im Benehmen mit dem Sorbenrat einsetzen, bei der Staatskanzlei ansiedeln und nicht nur wie die Koalition mit der interministeriellen Koordination befassen, sondern ausdrücklich mit der Beratung der Ministerien, der Abstimmung mit dem Sorbenrat und der Unterstützung der kommunalen Beauftragten betrauen.
Drittens wollen wir den Wunsch nach Revitalisierung ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen. Nach zwei Jahrhunderten der Vernachlässigung und teilweise auch Unterdrückung sorbisch/wendischer Sprache und Kultur halten wir alles andere für fahrlässig. Natürlich wirkt ein Gesetz in diesem Sinne nur symbolisch. Aber darauf zu verzichten, ist schon sehr armselig.

Zu weiteren Punkten, wie z.B. der Ausgestaltung des Verbandsklagerechtes und Unterstützung bei Kita und Schule, kann ich hier nur auf die Stellungnahme des Sorbenrates vom 7. Januar verweisen.
An dem Änderungsantrag von SPD und Linker, der hier wohl heute beschlossen wird,  kritisieren wir insbesondere die nicht europarechtskonforme Festlegung des sorbisch/wendischen Siedlungsgebietes.
Ganz besonders lückenhaft und rechtlich bedenklich ist die Übergangsbestimmung in § 13c, die zwar ein Antragsrecht auf Veränderung des angestammten Siedlungsgebietes vorsieht, dies aber auf zwei Jahre befristet. Was ist mit einer späteren Veränderung, z.B. durch Umzüge oder Revitalisierung? Zudem ist das Verfahren formaljuristisch nicht zu Ende dekliniert: Als Kann-Bestimmung verlagert der Gesetzgeber die Entscheidung auf die Exekutive und vergisst dabei festzulegen, wie nach einer positiven Antragsprüfung ein Ort in das Gesetz aufgenommen wird? - Wir sind der Auffassung, dass die Minderheitenrechte und deren Umsetzung – wie auch das als Kompromiss erfundene Antragsverfahren und Antragsprüfung durch das MWFK – durch uns als den Gesetzgeber abschließend zu regeln sind! Und zwar durch ein Verfahren, dass dann nicht wieder – auch aus Angst vor finanziellen Folgen - so peinlich zäh und langwierig ist wie das jetzige!  

Angesichts dieser Mängel ist es dann fast nachrangig, dass die Funktion des Beauftragten auf interministerielle Kooperation be- und das Verbandsklagerecht eingeschränkt wird. 
Was hier vorliegt, ist nicht nur kein großer Wurf, sondern ein kleinmütiger kleinster Nenner. Ob meine Enkel mal mehr über die sorbisch/wendische  Minderheit erfahren werden, liegt dann wohl in erster Linie in den Händen der großartig – aber ehrenamtlich – arbeitenden VertreterInnen des Sorbenrates. Ihnen vielen Dank für die Unterstützung und viel Erfolg für die Zukunft!

 

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Reden