Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU „Außerschulische Lernorte erhalten!“

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich würde Sie gerne einmal fragen: Wer von Ihnen ist eigentlich in diesem Jahr verreist, woanders hingefahren? (Zurufe: Was heißt woanders?) Wer ist verreist, hat sein Zuhause verlassen, sich etwas anderes angeschaut? (Zurufe) Alle? Sehr viele wahrscheinlich. Man könnte dem entgegnen: Warum müssen wir eigentlich noch verreisen?

24.09.15 –

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich würde Sie gerne einmal fragen: Wer von Ihnen ist eigentlich in diesem Jahr verreist, woanders hingefahren?

(Zurufe: Was heißt woanders?)

Wer ist verreist, hat sein Zuhause verlassen, sich etwas anderes angeschaut?

(Zurufe)

Alle? Sehr viele wahrscheinlich. Man könnte dem entgegnen: Warum müssen wir eigentlich noch verreisen? Man kann sich doch heutzutage eigentlich alles im Internet ansehen. Warum verreisen wir? Manche von Ihnen gehen vielleicht auch hin und wieder in ein Museum oder in ein Theater und schauen sich etwas an, was man auch im Internet sehen kann. Aber wir wissen alle: Es macht einen Unterschied, ob wir irgendwo vor Ort sind, ob wir etwas sehen, riechen, fühlen und ausprobieren können, oder ob wir es uns einfach durch Bücher oder zu Hause aneignen.

Wir können auch fragen: Wen nehmen wir uns eigentlich als Reiseführer mit? Nehmen wir uns etwas von zu Hause mit, ein Buch, Menschen, oder genießen wir es, wenn wir an anderen Orten Leuten begegnen, die Dinge aus anderen Perspektiven darstellen, die Erfahrungen mit anderen Orten haben? Unser aller Erfahrungen und unser Erleben sagt uns: Ja, das ist sehr viel mehr wert, wenn wir so nah an Dinge herankommen können.

Sie werden sich an die Diskussion vom Sommer erinnern, als die abgeordneten Lehrkräfte von den Gedenkstätten abgezogen werden sollten. Diese Lehrkräfte verknüpfen pädagogische Sachkenntnis, das Wissen um Schule und Schülerinnen und Schüler, mit einem speziellen Interesse an dem Ort ihrer Entsendung. Das sind in Brandenburg außer den Gedenkstätten auch Umwelteinrichtungen, Kunstschulen, Planetarien, Zoos, Waldschulen und verschiedene Museen.

Zum neuen Schuljahr sind einige dieser abgeordneten Lehrkräfte wieder vollständig zurück an ihre Schulen berufen worden, um - wie Minister Baaske diesen Schritt be-gründete - Unterrichtsausfall zu vermeiden. Aber diese Unterrichtsstunden, die von begeisterten Lehrkräften an diesen sogenannten schulischen Lernorten gehalten werden, haben in der Regel einen viel höheren pädagogischen Wert. Sie sind eine sehr wertvolle Bereicherung des Lehrangebots, sie sind eben etwas ganz anderes als Unterricht in der Schule, sodass wir es für unverantwortlich halten, diese Angebo-te zu streichen, bloß weil es die Landesregierung über Jahre versäumt hat, ausrei-chend neue Lehrkräfte einzustellen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Da haben wir eine Situation, wo die Vielfalt und die Qualität des Unterrichts für die Versäumnisse der Landesregierung büßen sollen.

Bei dem Antrag, den wir stellen, geht es nicht um einen komplexen Sachverhalt, und es geht auch nicht um sehr viel Geld. Wie kleinteilig dieser Antrag ist, das konnte ich leider erst gestern erfahren. Bislang waren uns diverse Einzelfälle zugetragen wor-den, wo solche abgeordneten Lehrkräfte zurückgezogen wurden. Aber es war noch nicht möglich, sich ein Bild darüber zu machen, wie das eigentlich auf Landesebene aussieht, wie viele Abordnungen zurückgezogen worden waren. Das hat das Ministe-rium erst gestern verraten. Tatsächlich sind es nur einzelne wenige VZE.

Sie können mir jetzt vorwerfen, einen schlecht vorbereiteten Antrag eingebracht zu haben. Ja, ich hätte das auch gerne von vornherein anders gemacht. Aber das Prob-lem ist: Es muss schnell gehen. Das habe ich immer gewusst. Auch wenn ich die Zahlen nicht gekannt habe, habe ich aber gewusst: Es muss schnell gehen, weil diese Lehrkräfte an den außerschulischen Lernorten sich Unterrichtsmaterialien, ein Umfeld aufgebaut haben, in dem sie die Klassen empfangen und in dem sie die Schüler Dinge ausprobieren lassen, was sie jetzt abbauen. Viele von diesen Lehrkräften, die abgezogen worden sind, haben schon zum neuen Schuljahr den Unter-richt an ihren Schulen begonnen, und sie haben das Angebot, das sie bislang an den außerschulischen Lernorten, in dem Zoo, in dem Museum, haben machen können, angefangen abzubauen, einzupacken, tatsächlich im Wortsinn. Das heißt, selbst wenn es nur einige wenige Fälle sind, um die es hier geht, wenn wir sie wiederbeleben wollen -und sie sind wertvoll, es sind zwar nur wenige Unterrichtseinheiten, aber es sind über das Land gesehen Tausende von Schülern, die über einen länge-ren Zeitraum daran teilhaben können -, dann müssen wir schnell machen, um zu verhindern, dass diese Angebote, die über Jahre aufgebaut worden sind, tatsächlich in die Kisten gepackt oder vielleicht sogar verbrannt werden. Deswegen lege ich die-sen Antrag heute vor.

Ich habe im Vorfeld in den letzten Tagen Zustimmungssignale dazu bekommen, diesen Antrag zu überweisen, und ich freue mich darüber sehr. Ich diskutiere gerne im Bildungsausschuss noch einmal über die Frage, ob wir qualitative Maßstäbe bzw. welche qualitativen Maßstäbe wir an diese Abordnungen anlegen müssen, bin aber gleichzeitig der Meinung, dass wir durchaus überlegen müssen, inwieweit dieses strukturelle Angebot vielleicht an manchen Orten auch ausgeweitet werden kann und sollte gegenüber dem, was wir bislang gehabt haben.

Das bedeutet: Ich fasse mich angesichts des übersichtlichen Sachverhalts und des wenigen Geldes, um das es hier eigentlich geht, kurz, freue mich auf die Debatte und bedanke mich schon jetzt an dieser Stelle für die Zustimmung.

(Beifall B90/GRÜNE)

Präsidentin Stark:

Wir danken Ihnen. - Zu uns spricht nun die Abgeordnete Koß für die SPD-Fraktion.

[...]

Präsidentin Stark:

Wir danken Ihnen. Das Wort erhält für die einbringende Fraktion nochmals Frau von Halem.

Frau von Halem (B90/GRÜNE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister! Drei Punkte möchte ich aufführen. Erstens: Danke an die Linke - ich auch. Zweitens frage ich: Müssen es abgeordnete Lehrkräfte sein, die fest an Einrichtungen sind, oder können das die Lehrkräfte, die die Klasse begleiten, selbst machen? Ich war in der Wildparkschule in Frankfurt und habe gesehen, was dort aufgebaut und den Kindern angeboten wurde. Ich konnte gut nachvollziehen, dass mir der dorthin abgeordnete Lehrer sagte: Wenn Lehrer mit Schulklassen hierher kommen, sagen sie mir hinterher, dass es auch für sie eine Fortbildung war; das hätten sie so nicht unterrichten können. - Das liegt daran, dass dort ein Lehrer Materialien zu einem Thema aufbereitet, das er spannend findet, für das er brennt, mit dem er sich seit Jahren beschäftigt und deswegen ein Angebot aufrechterhält, das die begleitenden Lehrkräfte nicht so gut beherrschen.

Herr Baaske, Sie haben das Niemegker Beispiel erwähnt. Es macht sicher einen Unterschied, ob Sie als Physiklehrer eine solche Einrichtung gleich nebenan haben o-der, weil es inhaltlich passt, mit Ihrer Schulklasse eine weitere Strecke irgendwo an-ders hinfahren - vielleicht zu einer Einrichtung, die pädagogisch sinnvoll sein kann, in der Sie aber selbst noch nicht waren. Da ist es für Sie ungleich mehr Aufwand als für einen abgeordneten Lehrer, alles vorzubereiten.

Der dritte Punkt: Ich werde immer hellhörig, wenn die SPD eine Evaluation will, weil ich dann das Gefühl habe: Hier wird etwas auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verscho-ben. Vielleicht müssen wir uns in diesem Fall überlegen, wo die Angebote sind, die jetzt gerade verloren gehen, weil sie in Kartons eingepackt und verteilt oder verschenkt werden - all das ist passiert, weil manche Lehrkräfte nicht wussten, wie es um die Zukunft ihrer Einrichtung steht, und damit rechnen mussten, dass sie ihr Angebot nicht aufrechterhalten können. Zum konkreten Beispiel in Frankfurt: Ich weiß, dass es dort so ist. Wenn man das als Angebot aufrechterhalten will, muss man schnell und ohne langwierige Evaluation die Möglichkeit eröffnen, das wieder zurückzubauen.

(Beifall des Abgeordneten Wilke [DIE LINKE])

Diese Unterscheidung müssen wir machen: Wo müssen wir schnell ein Signal geben und wo können wir längerfristig evaluieren? - In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss und wünsche mir, Herr Baaske, wenn Sie am 21. November die Schirmherrschaft übernommen haben, dass Sie es auf dem Kongress begrüßen können, dass es die Beispiele, die wir als so leuchtend dargestellt haben, wieder gibt.

(Beifall B90/GRÜNE, vereinzelt DIE LINKE sowie der Abgeordneten Fischer [SPD])

Kategorie

Reden