Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Schulfrieden in Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort! Anrede Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir sind ja durchaus manchmal einer Meinung in der Bildungspolitik: Gut ein halbes Dutzend Anträge für bessere Qualität in der Kindertagesbetreuung haben wir gemeinsam eingebracht und bei der Unterstützung der Schulen in freier Trägerschaft passte kein Blatt zwischen uns. Heute ist das anders. Heute trennen uns Lichtjahre!

09.07.15 –

 

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir sind ja durchaus manchmal einer Meinung in der Bildungspolitik: Gut ein halbes Dutzend Anträge für bessere Qualität in der Kindertagesbetreuung haben wir gemeinsam eingebracht und bei der Unterstützung der Schulen in freier Trägerschaft passte kein Blatt zwischen uns. Heute ist das anders. Heute trennen uns Lichtjahre!

Was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist so absurd, dass ich mir ernsthafte Gedanken über Ihr Politikverständnis mache. Welchen Sinn hat es noch, hier im Landtag zu sitzen, wenn ich die bestehenden Strukturen festschreibe und mir für die Zukunft selbst Pilotprojekte verbiete? Das müsste man doch selbst dann ablehnen, wenn man in der Sache gleicher Meinung wäre!

Um was es Ihnen eigentlich geht, steht ja nur in der Begründung: Sie wollen das gegliederte System der weiterführenden Schulen festschreiben.

In Sachen Grundschule widersprechen Sie sich selbst: Filiallösungen wollen Sie zulassen, auf freiwilliger Basis. Übrigens empfiehlt auch der Bericht der Demografiekommission vom November 2013: „Die Entscheidung über eine Filialbildung wird auf kommunaler Ebene getroffen.“ (S. 53) Aber auch das bedeutet eine Änderung der Schulstruktur: Die Filiale ist nämlich eine Schule, die die reguläre Mindestgröße unterschreitet und mit jahrgangsgemischten Klassen der Stufen 1-4 einer anderen größeren Grundschule (mit den Klassen 5 und 6) zugeordnet wird.

Aber es geht Ihnen um die weiterführenden Schulen, deren Struktur, wie Sie meinen, sich bewährt habe. Aber schon heute wissen wir, dass es sich nicht bewährt hat, dass die Oberschule nicht auch zum Abitur führt. Und dass die Oberstufenzentren massive Probleme haben, ihre Angebotsvielfalt aufrecht zu erhalten. Wie wir reagieren, wenn ab etwa Mitte der 20er Jahre die Schülerzahlen in ländlichen Regionen um bis zu 40% einbrechen, das steht in den Sternen. Wir Bündnisgrüne haben deshalb die Einrichtung einer Demografiekommission für die weiterführenden Schulen gefordert. Das hat die Koalition leider abgelehnt. Diese Überlegungen hinauszuschieben, ist fahrlässig. Ohne Überlegungen aber die bestehende Struktur festzuschreiben, kann nur als wenig intelligente bildungspolitische Irrfahrt interpretiert werden.

Sie wollen kein gemeinsames Lernen von Klasse 1 bis zum Abitur, so wie das die Linke vorgeschlagen hat. Hier scheiden sich die Geister: Auch wir wollen Schulen und Schulträger ermutigen, Oberschulen und Gymnasien zu Gesamtschulen mit Oberstufe zusammen zu legen. Und wir wollen sogar noch weiter gehen und eine modularisierte Oberstufe prüfen, in der sowohl ein allgemeinbildendes Abitur als auch ein Berufsabschluss erworben werden kann. Aus unserer Sicht muss genau das die Antwort sein, um kurze Wege und breite Angebote auch in ländlichen Räumen zu erhalten.

Aber gleichzeitig sagen wir deutlich, dass wir von oben verordnete Schulstrukturveränderungen ablehnen. Ermöglichung ist das Schlüsselwort, entscheiden müssen die Betroffenen selbst!

Und dass es breite Unterstützung für eine eben solche Entwicklung gibt, wird nicht nur durch die Linken und uns deutlich (bei der SPD steht das ja nur seit Jahrzehnten unberührt im Programm, die wird sich sicher nicht bewegen!) Aber darf ich Sie erinnern, wie die erste ergänzende Empfehlung der Vertretung der Lehrkräfte im Bericht der Demografiekommission lautet? Ich zitiere: Die Vertretung der Lehrkräfte in der Kommission empfiehlt der Landesregierung, im Zusammenhang mit dem Erhalt einer attraktiven wohnortnahen Infrastruktur gesetzliche Regelungen zu erlassen, die auf regionaler Ebene eine Schulstruktur ermöglichen, die gemeinsames Lernen in den Jahrgangsstufen 1 bis 13 realisiert.“ (S. 66)

Liebe Kolleg*innen von der CDU, ja, es gibt unterschiedliche Meinungen. Die eigene Position aber mit „Frieden“ zu bezeichnen, impliziert auch, die abweichende bedeute „Krieg“. Mal abgesehen davon, dass diese martialische Wortwahl im Bildungswesen denkbar fehl am Platze ist, offenbart sie auch eine Arroganz, die ich Ihnen eigentlich nicht zugetraut hätte.

Was Sie hier vorschlagen, ist nicht ‚Frieden’, sondern Schulstarre, Leblosigkeit. Sie können es auch Dornröschenschlaf nennen, wenn Sie an den Prinzen glauben. Warum machen Sie eigentlich Politik, wenn Sie nicht sehen, dass Leben Weiterentwicklung bedeutet und Sie sich an der Gestaltung derselben beteiligen wollen?

Kategorie

Reden