Marie Luise von Halem spricht zur Aktuellen Stunde „Zukunft des Bildungsförderalismus in Deutschland“

- Es gilt das gesprochene Wort! [Anrede] Spätestens mit dem Mathe-Abitur-Desaster müsste doch eigentlich jeder kapiert haben, dass die Wunschträume von der absoluten Vergleichbarkeit von Schulbildung eine Illusion sind! - Schulbildung fällt schon innerhalb einer Schule zwischen zwei Klassen mit zwei unterschiedlichen Lehrkräften verschieden aus. Es lehren und lernen ja Menschen und keine Roboter. Alle haben sie unterschiedliche Neigungen, können Inhalte unterschiedlich gut aufnehmen und vermitteln und bedienen sich unterschiedlicher Lehrmethoden und Beispiele. Und das ist auch gut so!

29.06.17 –

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Spätestens mit dem Mathe-Abitur-Desaster müsste doch eigentlich jeder kapiert haben, dass die Wunschträume von der absoluten Vergleichbarkeit von Schulbildung eine Illusion sind! - Schulbildung fällt schon innerhalb einer Schule zwischen zwei Klassen mit zwei unterschiedlichen Lehrkräften verschieden aus. Es lehren und lernen ja Menschen und keine Roboter. Alle haben sie unterschiedliche Neigungen, können Inhalte unterschiedlich gut aufnehmen und vermitteln und bedienen sich unterschiedlicher Lehrmethoden und Beispiele. Und das ist auch gut so! Es kann doch niemand wirklich wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler an jedem Tag des Schuljahres den gleichen Stoff durchnehmen und am selben Tag dieselbe Klausur schreiben? Dass es keinerlei Raum gibt für regionale Besonderheiten oder besondere Interessen? Dass die Prüfung auch dann stattfindet, wenn die halbe Klasse den Stoff noch nicht verstanden hat? Für mich ist dies ein Horrorbild von Schule. Interessengeleitetes Lernen gäbe es dann genauso wenig wie individuelles Lernen. Wäre das dann die „Einheitsschule à la CDU“?

Deshalb, liebe CDU, finden wir Bündnisgrünen, dass das, was bereits unter den Bundesländern verabredet ist, nämlich verbindliche Bildungsstandards und Pool-Aufgaben für die Abiturprüfungen, schon sehr weitreichend und absolut ausreichend ist.

Bundesweiten Gleichschritt beim Unterricht brauchen wir nicht. Trotzdem setzen auch wir Bündnisgrüne uns für ein finanzielles Engagement des Bundes für die Bildung ein und damit für eine Verankerung im Artikel 91b des Grundgesetzes. Leider konnten wir uns über diese Klarstellung im Entschließungsantrag der Koalition nicht einigen und werden uns deshalb zu diesem enthalten. Die geforderte Gemeinschaftsaufgabe Bildung wird es mit uns Bündnisgrünen nicht geben, genauso wenig wie konzeptionelle Kompetenzen des Bundes in diesem Feld.

Es gibt Bereiche, die ohne Bundesmittel kaum von allen Bundesländern im ausreichenden Maße gestemmt werden können: wie z.B. Sanierung der Schulinfrastruktur, Inklusion, Digitalisierung, Ganztag, Qualität in der Kindertagesbetreuung.

Vor allem muss es möglich sein, dass sich der Bund an den Kosten von ihm selbst beschlossener Maßnahmen direkt beteiligen kann, vor allem im Rahmen internationaler Verträge, wie z.B. der UN-Behindertenrechtskonvention. Es geht ausdrücklich nicht darum, die Kulturhoheit der Länder auszuhöhlen und dem Bund schleichend eine zentrale Steuerung des Bildungswesens zu übertragen. Bildungszentralismus würde die Probleme vor Ort keinesfalls besser lösen können.

Wir plädieren für Bund-Länder-Vereinbarungen, die einer Zustimmung mit ¾-Mehrheit der Länder bedürfen. Wir sind deshalb gegen die Einstimmigkeit, damit Erpressungsversuche und Länderegoismen weniger Chancen haben. Aus unserer Sicht gelingt gute Bildung für alle Kinder und Jugendlichen umso besser, je besser Bund, Länder und Kommunen zusammenwirken und ihrer gemeinsamen finanziellen Verantwortung gerecht werden. Gute Bildungspolitik ist immer auch Integrations-, Sozial- und Wirtschaftspolitik, das wissen wir alle.

Noch zum Thema Bildungsrat: Wenn wir nach dem Vorbild des Wissenschaftsrates nun auch Bildungsexperten in einen deutschen Bildungsrat berufen würden, änderte sich an den Rahmenbedingungen erstmal gar nichts. Klar, ein solches Expertengremium könnte interessant sein, aber die Exekutive läge weiter und unverändert bei der KMK – die manche Fachleute auch eine Landschildkröte nennen.

Was wissenschaftliche Beiräte manchmal bewirken, kann man doch in Brandenburg am besten sehen: wo die Expertisen sowohl der Demografiekommission als auch des wissenschaftlichen Beirates Inklusion nach der Veröffentlichung umgehend entsorgt wurden.

Für uns bleibt am wichtigsten: die Abschaffung des Kooperationsverbotes!

Darüber hinaus haben wir eine geradezu galaktische Leere beim Thema bildungspolitische Ursachen- und Wirkungsforschung. Verglichen haben wir ohne Ende, aber was die Ursachen für das unterschiedliche Abschneiden sind, wo es herrührt und wie es sich ändern lässt, darüber wissen wir viel zu wenig. Darum könnte sich die KMK mal kümmern, die Landschildkröte.

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Reden