Marie Luise von Halem spricht zum Antrag „Unterrichtsausfall begrenzen – Bewertung ermöglichen“

Rede am 26.2.2014 - Es gilt das gesprochene Wort! Anrede! Wir unterstützen diesen Antrag: Ja, es ist Aufgabe der Bildungspolitik, eine der Planung angemessene Unterrichtsversorgung durch Lehrkräfte zu gewährleisten! Trotzdem wird es Unterrichtsausfall immer geben. Und er wird in den nächsten Jahren noch schlimmer werden. Ein frühzeitiges Meldesystem ist zwar eine schöne Idee, der Kern der Sache aber liegt woanders. 

26.02.14 –

Rede am 26.2.2014

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Wir unterstützen diesen Antrag: Ja, es ist Aufgabe der Bildungspolitik, eine der Planung angemessene Unterrichtsversorgung durch Lehrkräfte zu gewährleisten! Trotzdem wird es Unterrichtsausfall immer geben. Und er wird in den nächsten Jahren noch schlimmer werden. Ein frühzeitiges Meldesystem ist zwar eine schöne Idee, der Kern der Sache aber liegt woanders.  

Es ist schon erschütternd, zu sehen, wie in der Beschwichtigungsrhetorik des Ministeriums ein Problem heruntergespielt wird, das einem überall und an jeder Schule entgegen gehalten wird und real ja auch einen Höchststand erreicht hat. Egal, wo ich bin, immer wieder wird über das Vertretungsproblem geklagt. Und mal nebenbei: Auch das so wichtige Projekt der Inklusion fahren Sie damit an die Wand: Denn allerorten werden die für den sonderpädagogischen Einsatz vorgesehenen Lehrerwochenstunden für die Vertretung eingesetzt! Da nützt es auch nichts, in der VV Unterrichtsorganisation festzuschreiben, das solle nur in Ausnahmefällen erfolgen. Diese Ausnahme ist längst und überall die Regel.

Was also tun?

Das Konzept „Verlässliche Schule“ aus der letzten Legislaturperiode legt fest, dass es im Rahmen eines schulinternen Vertretungskonzeptes jeder Schule u.a. obliege, Festlegungen zu treffen für die Verantwortlichkeit von Anlage und regelmäßiger Aktualisierung eines Pools an Unterrichtsmaterialien, der für Vertretungskräfte jederzeit verfügbar ist. Das wird unterschiedlich gehandhabt und gelingt offensichtlich nur beschränkt. Wer unterstützt die Schulen dabei? – Auf den Seiten des LISUM oder auf dem Bildungsserver sind jedenfalls keine Hilfestellungen für Vertretungskonzepte zu finden. Da komme ich mal wieder auf mein Lieblingsthema Fortbildung zu sprechen: Verfügen die Schulen vielleicht nicht über ausreichend Kenntnisse bei der Anlage solcher Materialien? Und warum muss das eigentlich nur in der Hand der einzelnen Schulen liegen? Könnte angesichts landesweiter Lehrpläne nicht auch der Bildungsserver Material landesweit anbieten? – Auch hier zeigt sich, dass das Land beim Einsatz digitaler Lernmittel großen Nachholbedarf hat – darüber reden wir ja heute auch noch.

Eine weitere Frage drängt sich auf: Im Rahmen der Diskussion um Unterrichtsausfall wird immer wieder gegeißelt, Kinder würden mit 'Stillbeschäftigung' abgefertigt. Warum ist eigentlich ‚Stillbeschäftigung‘ ein solches Unwort, während andererseits preisgekrönte Schulen dafür gerühmt werden, dass ihre Kinder sich so selbstständig Lerninhalte erarbeiten könnten? Wie passt das zusammen? Wie kommt es, dass einem z.B. in der Waldhofschule in Templin erzählt wird, Inklusion gelinge so gut, weil durch die Selbstständigkeit der Kinder Lehrerkapazitäten frei würden, die zur individuellen Förderung genützt werden können?

In dem preisgekrönten Evangelischen Gymnasium in Neuruppin unterrichten zuweilen Schüler der höheren Klassen die unteren. Der oder die LehrerIn ist dann auch mal zwischendurch entbehrlich. Und ich glaube nicht, dass die Schülerinnen und Schüler deshalb weniger lernen. Von den Lehrkräften lernen die Schüler sowieso nur 20 % all dessen, was sie überhaupt lernen.

Das gibt doch zu denken! Wir müssen weg von der Vorstellung, eine Lehrerin müsse eine Klasse möglichst frontal unterrichten, sonst lerne niemand etwas. Um das zu schaffen, brauchen wir gute Lehrerteams, die sich untereinander absprechen und Unterricht gemeinsam planen. Dafür sind die meisten Lehrkräfte nicht ausgebildet, und solange Fortbildung in diesem Land so stiefmütterlich behandelt wird, wird sich wahrscheinlich wenig bewegen.

Und beim Vertretungsproblem ist Entwarnung wohl eher ein Wunschtraum, denn in den nächsten Jahren wird der Lehrermangel noch viel größer werden. Wenn die SPD jetzt ankündigt, 4.000 Lehrkräfte in der nächsten Legislaturperiode einstellen zu wollen, dann müssen wir uns fragen, wovon sie eigentlich nachts träumt. 3.600 bräuchten wir allein, um die Abgänge auszugleichen. Gut die Hälfte davon bilden wir selber aus. Die andere Hälfte müssten wir anwerben – dass das angesichts vergleichsweise schlechter Rahmenbedingungen jetzt mit einer Werbekampagne gelingt, halte selbst ich als Optimistin für eine reichlich naive Annahme.    

Seit 20 Jahren regiert die SPD im Bildungsministerium. Der Lehrermangel, auf den wir jetzt zusteuern, war lange vorhersehbar. Die SPD hat es versäumt, Vorsorge zu treffen. Deshalb werden wir mit Vertretungsproblemen noch lange zu tun haben!

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Reden